Als ich heute morgen im Büro saß, um einiges zu erledigen, klingelte mein Telefon. Am anderen Ende war ein ziemlich schlecht deutsch sprechender Spanier. Zuerst verstand ich nicht was er wollte. Ich wusste nur, dass es um meinen Hengst Daredevil ging. Da ich schon oft diverse Kaufangebote bekommen hatte und mir bereits Summen in Millionenhöhe für ihn geboten wurden, versteifte ich mich innerlich. Devil war für keinen Preis der Welt zu haben. Dann allerdings, als ich nach ungefähr zehn Minuten Spanisch mit einigen Brocken Deutsch dazwischen endlich verstand worum es ging, war ich doch erleichtert. Der Herr wollte einen Decksprung meines Hengstes. Ihn zu fragen, ob er lieber einen Natursprung wolle und mit seiner Stute hierher käme oder ob es auch Tiefgefriersperma tun würde, erachtete ich allerdings als zu schwierig für unsere ohnehin schon beinahe nicht vorhandene Verständigung. Die Sorge, wie ich ihm das begreiflich machen sollte, erübrigte sich dann zum Glück aber im weiteren Verlauf. Ich verstand, dass er nur einmal anfragen wollte, ob der Hengst im Deckeinsatz stünde - glaube ich zumindest. Jedenfalls bejahte ich ihm einfach einmal proforma halber das Ganze und hoffteim Geheimen ihm keine Versicherung abgekauft zu haben. Als ich endlich den Höhrer aufhängen konnte, war die Sache damit für mich erledigt.
Wie sollte ich mich da irren.
Zwei Stunden später bekam ich eine E-Mail von besagtem Gesprächspartner, leicht an dem Spanisch-Deutsch-Kaudawelsch im Titel zu erkennen, aus dem der Name Daredevil herauszulesen war - ansatzweise zumindest. Wenigstens hatte ich diesmal nicht den nervtötenden Druck einer ungeduldigen Stimme im Ohr. Ich holte mir also meinen Schatz aus dem Bett, der sich nach dem Training mit Hide noch ein wenig hingelegt hatte und bat ihn für mich den Übersetzer zu spielen. Alex, der hin und wieder in Spanien Rennen ritt, hatte mit der Zeit diese Sprache wenigstens ansatzweise gelernt. Sicherlich könnt ihr euch vorstellen, wie der mich angegrinst hat, als ich ihn darum bat. Immerhin hätte ich einen Stall voll Andalusier. Da sollte ich doch zumindest ein bisschen Spanisch verstehen. Als Antwort bekam er mein Couchkissen an den Kopf. Diese ganze Nummer hielt mich vom Training ab und das machte mich grantig.
Nach einer halben Stunde Ratens, Blätterns in diversen Wörterbüchern und der Recherche im Internet hatten wir dann endlich den Inhalt zusammen. Ich hatte also keine Versicherung gekauft, sondern es ging tatsächlich um einen Decksprung. Der Herr wollte gerne Gefriersperma nach Spanien geschickt bekommen und das so Ende April.
Da ich Devil bis September ohnehin aus dem Training nehmen wollte, damit er ungestört seine Deckpflichten erfüllen konnte, kam mir das jetzt ganz gelegen. Ich ließ Alex also eine Antwort formulieren und rief unseren Tierarzt an, der das Sperma von Devil und Heartbreaker verwaltet. Leider hatte ich ihn vorhin verpasst, als er nach Marinas Pferd gesehen hatte. Ich teilte ihm also alles nötige mit und ging dann wieder an die Arbeit.

Am Abend holte ich mir Devil in die Allzweckhalle, legte Lordi in die Musikanlage und ließ meinen Rapphengst ein wenig laufen. Kaum ein anderes meiner Pferde reagiert auf Hardrock so, wie er. Um genau zu sein wird er bei seichterer Musik unleidlich und bei gar keiner Musik gelinde gesagt verstimmt. Er hat sich das so sehr angewöhnt, dass er schon fast gar nicht mehr ohne arbeiten kann - dieser kleine Junkie. Ich ließ ihn also sich ein wenig zu den Klängen besagter Band austoben, bevor ich anfing ein paar Lektionen abzufragen. Heute war er mehr als gut drauf und so genügten die kleinsten Bewgungen, um ihm verständlich zu machen was ich wollte. Im Augenwinkel bemerkte ich einige Zuschauer, konzentrierte mich aber zu sehr auf meinen Hengst um zu sehen wer es war. Wir waren so eingespielt, dass wir alles um uns herum vergaßen. Ich ließ ihn steigen, piaffieren, Komplimente machen, ja sogar eine Courbette gelang ihm und eine Capriole. Ging ich zurück, folgte er mir, ging ich auf ihn zu ging er rückwärts. Es war als würden wir miteinander tanzen. Ich brauchte nur meinen Fuß waagerecht in die Höhe zu strecken, so tat er es auch. Überkreuzte ich meine Beine im Gehen, so machte er eine Traversale in die Richtung, in die auch ich mich bewegte. Wir waren eins und verstanden uns blind. Die Musik löste in uns beiden etwas Wildes aus und schließlich schwang ich mich ohne Sattel und Trense auf seinen Rücken. (Das würde ich übrgends niemandem empfehlen nachzumachen, denn Devil kann mitunter unberechbar sein, wenn jemand anders das versucht. Von Ignoranz bis Agressivität ist bei ihm alles drin.) Kaum spürte er mein Gewicht, wölbte er seinen Hals. Noch bevor er es tat, wusste ich es und stellte mich darauf ein. Ihn hatte zu den Klängen von Hardrock Halleluja der Hafer gestocken und er rannte los. Aber es war kein Durchgehen im klassischen Sinne. Es war ein Spiel zwischen uns beiden. Ein Ritual mit festgelegten Regeln, die wir beide bis ins Kleinste einhielten. Niemals würde er mich mit Absicht zu Fall bringen und ich würde nicht versuchen ihn aufzuhalten. Es war eine stille Übereinkunft, die wir miteinander getroffen hatten. Ein magisches Band zwischen Pferd und Reiter. Seine Kraftvollen Bewegungen gaben mir ein Gefühl von Freiheit und jeglicher Stress, alle kleinen Alltagssorgen, alles, aber auch alles war für diesen Augenblick vergessen. Ich flog; flog ohne Flügel. In weiten Kreisen nutzte Devil die 120x100m Halle komplett aus. Ich spürte, dass es auch ihn frei machte. sein tiefer Atem verriet es mir. Wir beide fühlten uns nur so in solchen Momenten und in solchen Momenten wurde mir schmerzlich klar wie sehr ich dieses Pferd liebte und wie sehr er mich brauchte. Ich spürte, dass sich unser Spiel in die nächste Runde begeben sollte und richtete mich darauf ein. Bei Would you love a Monsterman stieg er und ich hielt mich an seinem Hals fest. Wild schüttelte er seinen schönen Kopf, gallopierte wieder ein paar Sprünge und stieg dann erneut. Ich schloss die Augen und sog die Energie in mich auf, während ich mich in seine lange schwarze Mähne presste. Seine innere Anspannung fiel nun vollends von ihm ab, als er sich noch ein drittes Mal in die Höhe geschraubt hatte. Nun stand er einfach nur noch da und hatte die Augen geschlossen. Auch die Meinen waren noch zu und ich atmete genauso tief, wie mein Pferd, die Finger noch immer in seiner wunderbaren Mähne vergraben. Minutenlang standen wir so da, bis er sich plötzlich ablegte, was er immer in solchen Momenten zu tun pflegte. Ich glitt von seinem Rücken und lehnte mich an seinen Hals. Es war ein absoluter Moment der Ruhe - einmal von der Musik abgesehen, aber die störte weder Devil noch mich.
Irgendwann erhoben wir uns dann wieder. Mein Hengst schüttelte sich den Hallenboden aus dem Fell und schnaubte einmal laut. Dann folgte er mir in den Stall.

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